Unter dem vielversprechenden Titel „Zur Hoffnung berufen“ war der Trägerkreis in diesem Jahr zu Gast im Schloss Seggau bei Graz. Die TrägerInnen des Netzwerkes aus West- und Osteuropa zeigten gemeinsam, dass es Hoffnung auch abseits von Kriegen und Krisen gibt.
Ein Teilnehmer fasste seine Erfahrung wie folgt zusammen: „Angesichts der aktuellen Situation in Europa bin ich entmutigt und deprimiert. Aber diese Tage erfüllen mich mit neuem Mut und neuer Hoffnung“. Und eine Teilnehmerin, die in der Ukraine lebt: „Botschafterin der Versöhnung zu sein – das ist es, was ich vom Treffen von Miteinander für Europa mitnehme. Ich lebe in einem Land des Krieges, in dem man noch nicht von Versöhnung sprechen kann. Aber ich fühle, dass es möglich ist, Botschafterin zu sein, denn ein Botschafter ist per Definition ein Diplomat, er drängt nicht auf, er bringt und bereitet vor… Das ist die Mission, die ich dort, wo ich lebe, wahrnehmen muss. So möchte ich – wie es Jesús Moran in seiner Rede bezeichnet hat – ‚Handwerker einer neuen Kultur‘ sein.
TeilnehmerInnen
Die TeilnehmerInnen kamen aus Kirche und Politik (orthodoxe Christen, Katholiken, Protestanten, Reformierte und Mitglieder von Freikirchen), unter ihnen geistliche Würdenträger und Laien wie Bischof Wilhelm Krautwaschl der Diözese Graz-Seckau, Bischof Joszef Pál der Diözese Timisoara (Rumänien), der Co-Präsident der Fokolar-Bewegung, Jesús Moran (Italien), Reinhardt Schink, Vorstand der Deutschen Evangelischen Allianz, Markus Marosch, Runder Tisch Österreich, Márk Aurél Érszegi Außenministerium Ungarn, die früheren Regierungschefs von Slowenien, Lojze Peterle, und der Slowakei, Eduard Heger sowie eine Delegation der IAO (Interparliamentary Assembly on Orthodoxie) mit dem Generalsekretär Maximos Charakopoulos (Griechenland) und Advisor IAO Kostantinos Mygdalis.
Programm
In Graz-Seggau standen immer wieder Gespräche, Lebenszeugnisse und Arbeitsgruppen im Mittelpunkt. Nach dem Trägerkreistreffen 2023 in Timisoara mit dem Titel „Zur Einheit berufen“ spürten die TeilnehmerInnen 2024 in Graz ganz neu, dass im Miteinander ihrer verschiedenen Charismen und Kirchen viele Gnadengaben und eine Hoffnung für das krisengeschüttelte Europa liegt. Auf den Tag genau (31.10.1999 – 31.10.2024) feierte Miteinander für Europa sein 25jähriges Bestehen. Gerhard Pross (CVJM Esslingen), als Zeitzeuge, erinnerte in seinem Eingangsreferat an die vielen Gnadenmomente dieser Jahre. Ein weiterer Zeitzeuge, Altbischof Christian Krause, 1999 Präsident des Lutherischen Weltbundes und damals Mitunterzeichner der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“, betonte in einer bewegenden Audio-Botschaft, die fast wie ein Testament anmutete, eindringlich die Wichtigkeit und Verheißung des Netzwerkes MfE. „Ich will mit anderen die Staffel übernehmen“ versprach daraufhin eine jüngere Teilnehmerin aus dem Leitungskomitee.
Am Freitagmorgen standen drei Impulse im Mittelpunkt. Thomas Römer (CVJM München): „Wir möchten uns zur Verfügung stellen, dass Jesus auch durch uns Europa segnet. Er gibt uns als Christen den Schlüssel der Versöhnung in die Hand, wir setzen nicht auf Macht, wir setzten auf die Kraft der Liebe, zu der uns Jesus ruft.“ Jesùs Moran (Fokolar-Bewegung) erklärte den Unterschied zwischen Union und Einheit und unterstrich dabei: „Die Dinge ändern sich nicht von einem Tag auf den anderen, wichtig sind die Handwerker, die Anbauer einer neuen Kultur, die geduldig arbeiten und den Samen der Hoffnung säen… Im Gegensatz zur Union betrachtet die Einheit die Beteiligten als Personen. Ihr Ziel ist die Gemeinschaft…Während in der Union die Vielfalt eine Quelle des Konflikts ist, ist sie in der Einheit ein Unterpfand des Reichtums. Die Einheit bezieht sich letztlich auf etwas, das jenseits der Beteiligten liegt, das sie übersteigt und deshalb nicht gemacht, sondern als Geschenk empfangen wird.“ P. Raffael Rieger (Schönstattbewegung) betonte: „Es braucht die verschiedenen Gemeinschaften, damit die Menschen in ihrer Verschiedenheit «Heimat» finden und sich entfalten können.“ Die Zusammenarbeit der Gemeinschaften für die 7 JA (zu u.a. Familie, Schöpfung, Solidarität mit den Armen, Frieden, einer gerechten Wirtschaft) gäbe dann ein Zeichen der Einheit und Hoffnung für Gesellschaft und Umwelt.
Die Anwesenden erneuerten am Abend feierlich das Bündnis der gegenseitigen Liebe, Basis des gemeinsamen Engagements. „Wir setzen den gemeinsamen Weg im vollen Vertrauen fort, dass der Heilige Geist uns auch weiterhin leitet. Wir folgen ihm, wohin Er uns führt“ formulierte es ein Vertreter des Netzwerkes.
Am letzten Tag öffnete sich das Trägerkreistreffen auf Interessierte in der Bevölkerung, unter ihnen auch Siegfried Nagl (Bürgermeister von Graz 2003-2021), der besonders während seiner Amtszeit die Arbeit von MfE aktiv unterstützte. Wie kommen wir aus der herrschenden Polarisierung in ein Miteinander? Mit dieser Frage beschäftigte sich die Podiumsdiskussion mit Bischof Krautwaschl, Alojz Peterle, Edward Heger und der Wiener Universitätsprofessorin Ingeborg Gerda Gabriel. Christen müssten ihre eigene Identität mehr zur Sprache bringen, respektvoll aber selbstbewusst und kompetent. „Auch Worte sind Taten“. Gleichzeitig sei ein „Abrüsten“ der Worte notwendig und Zuhören gefragt. Angesichts häufig leerer Rhetorik und Fake News benötige es Kraft, um auf wesentliche Themen fokussiert zu bleiben (z.B. Gott, Gerechtigkeit) und ggf. Widerstand zu ertragen, um so immer wieder aus der Polarisierung in ein Miteinander kommen zu können.
Für 2027 hat das Netzwerk eine Großveranstaltung ins Auge gefasst, um gemeinsam an Europa ein kraftvolles Zeichen der Einheit und Hoffnung zu geben.
Beatriz Lauenroth
Foto: G. Neuhold
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