Auch fern der Front wird gekämpft

von | Jan. 20, 2025

Beatriz Lauenroth, eine in Argentinien geborene Deutsche, arbeitet seit vielen Jahren mit Leidenschaft für das Netzwerk Miteinander für Europa im Bereich der internationalen Presse. Sie hat in mehreren europäischen Ländern gelebt und wohnt derzeit in Südholland, in der Nähe von 's Hertogenbosch. Nach ihrer Rückkehr von einem dreimonatigen Aufenthalt in Mukacevo in der Ukraine, erzählt sie uns von ihrer einschneidenden Erfahrung.

Mukacevo: Ich hatte noch nie von dieser kleinen Stadt im Westen der Ukraine gehört, als ich im September 2024 dort ankam. Sie grenzt an Ungarn, der Slowakei und Polen. An einem schönen Septembertag kam ich dort an, um die kleine Fokolar-Gemeinschaft in diesem vom Krieg gezeichneten Land zu unterstützen. Ukrainische Freunde hatten mir gesagt „Als 2022 in Kiew die Bombenangriffe begannen, hat die ganze Welt auf uns geschaut. Jetzt hat das Interesse nachgelassen und wir fühlen uns zunehmend im Stich gelassen.“ Diese Feststellung – die nicht ohne Bitterkeit daherkam – setzt etwas in mir in Gang: Ja, auch ich möchte ein Zeichen der Solidarität setzen. Um es mit den Worten von Papst Franziskus zu sagen, ich möchte mich einer Erfahrung nähern, die weit von meinem Leben entfernt zu sein scheint. Meine Entscheidung wird dadurch erleichtert, dass ich Russisch spreche – eine Sprache, mit der man Ukrainer verstehen kann. Ich beschließe also, mich für eine gewisse Zeit zur Verfügung zu stellen.

Der Luftraum über der Ukraine ist gesperrt. Die Reise nach Mukacevo von Holland aus, wo ich wohne, dauert zwei Tage. Bei der Ankunft beginnt eine ungewohnte Erfahrung: Alarme und dann Bombenangriffe, z. B. auf das Kraftwerk in Mukacevo. Bei jedem Alarm fallen die Menschen – bewusst oder unbewusst – in einen „Schockzustand“. Ein Freund wählt einen drastischen Vergleich, um zu verdeutlichen, was auf psychologischer und geistlicher Ebene passiert: „Es ist, als würde man einen eingeschalteten Computer mehrmals hintereinander ausstecken. Wenn man ihn wieder einsteckt, leidet das System. Und der Körper vergisst das nicht. Die Psyche, die Seele ist erschüttert. In der Ukraine leben wir schon seit drei Jahren so“.

Prägend ist für mich die Begegnung mit den Frauen, von denen die meisten einen starken Glauben an Gott haben. Viele Männer sind an der Front, verwundet oder im Krieg umgekommen. Andere sind geflohen oder verstecken sich irgendwo. Die Fokolarinnen erklären mir: „Wir sind in der Ukraine geblieben, um gemeinsam mit den Menschen hier die Erfahrung zu machen, dass Gott unter uns ist. Er gibt uns die Kraft zum Durchhalten.“

Man sagt, dass die Ukrainer ein sehr zähes Volk sind, das nicht so schnell aufgibt. Ich habe das Gefühl, dass ich viel von ihnen lernen kann. Die vierzigjährige Oleksandra führt ein Familienunternehmen im Möbelbereich. Früher florierte das Geschäft, aber jetzt weiß sie nicht mehr, wie sie es weiterführen soll, da die Männer, die in ihrer Firma arbeiteten, zum Militärdienst eingezogen wurden. Die wirtschaftliche Grundlage für den Unterhalt ihrer Familie schien ihr entzogen zu werden. Ich bin beeindruckt von Oleksandras Gottvertrauen, das sie diese äußerst prekäre Situation jeden Tag mit Mut und Kreativität angehen lässt.

Irina ist eine Frau wie viele hier in der Ukraine, deren Mann an der Front im Donbass ist. Sie telefonieren oft miteinander, und er erzählt ihr schreckliche Dinge, aber auch von der Solidarität und der Hoffnung unter den Soldaten. Er sagt, dass er sich in keinem Glauben wiedererkennt, aber auch er hat angefangen zu beten. „An der Front“, sagt er, „gibt es keine Menschen, die von Gott entfernt sind. Es gibt Momente, in denen alle beten“.

Tanja ist mit ihren beiden Töchtern im Alter von 10 und 12 Jahren aus einer besetzten Stadt geflohen. Sie hatte sie im Auto versteckt, zwischen ihren Koffern. In der Warteschlange am Kontrollpunkt stieg jemand vor ihnen aus dem Auto – er wurde von einer Kugel getroffen, die ihn auf der Stelle tötete. Tanja hatte schreckliche Angst, aber in diesem Moment dachte sie nur daran, wie sie das Gaspedal durchdrücken könnte, falls sie getroffen würde, um ihre Mädchen in Sicherheit zu bringen.

Ich blieb nur ein paar Monate bei diesen Menschen. Als ich in die Niederlande zurückkehrte, stellte ich fest, dass sich etwas in mir tiefgreifend verändert hatte. Die Monate in der Ukraine haben mir eine ‚Lebenslektion‘ erteilt: einen unerschütterlichen Glauben an Gott und die Würde, immer durchzuhalten, ohne zu klagen. Nun, es waren ukrainische Frauen wie Tanja, Irina und Oleksandra, die mich mit ihrem Leben gelehrt haben, dass es sich lohnt, an einen Gott zu glauben, der seine Leute niemals im Stich lässt.

Beatriz Lauenroth

Fotos: ©privat

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