Die Leidenschaft, christliche Werte wiederzubeleben

Die Leidenschaft, christliche Werte wiederzubeleben

Wir geben hier den Bericht von Gerhard Pross, Moderator von Miteinander für Europa, wieder, der nach Thessaloniki (Griechenland) eingeladen wurde, um eine gemeinsame Erklärung von Christen verschiedener Kirchen im Hinblick auf die bevorstehenden Europawahlen im Juni 2024 zu unterzeichnen.


Am 15. Mai wurde die Erklärung „Europa, sei Du selbst!“>> unterzeichnet. Ich hatte die Ehre sie, zusammen mit dem Präsidenten der CEC[1], Erzbischof Nikitas, dem Präsidenten der COMECE[2], Bischof Mariano Crociata und dem Generalsekretär der IAO[3], Maximos Charakopoulos.

Natürlich war es eher ungewöhnlich, dass wir als Netzwerk von Bewegungen auf dieser Ebene vertreten waren. Grund dafür waren die Orthodoxen Parlamentarier, die viel Wert auf unsere Stimme legten, weil sie um unser Anliegen wissen, einen aktiven Beitrag zur Lebendigkeit der christlichen Wurzeln Europas zu geben.

Bei meinen kurzen Grußworten anlässlich der feierlichen Unterzeichnung, konnte ich auf das Gespräch zwischen dem damaligen EU Ratspräsidenten Romano Prodi und Chiara Lubich, der Gründerin der Fokolar-Bewegung, hinweisen. Prodi hatte damals sinngemäß Chiara Lubich gefragt, wie er denn eine christliche Politik machen könnte, wenn die Christen selbst ihre Stimme nicht erheben. Daraufhin motivierte uns Chiara, eine Veranstaltung zu planen, die dann im Mai 2004 unter dem Thema „Miteinander für Europa“ stand und in eindrucksvoller Weise gezeigt hat, wie sehr die christlichen Bewegungen durch ihr Engagement in unserer Gesellschaft mitwirken.

Die Unterzeichnung war der Auftakt zu einer 2-tägigen „International Political Conference“ mit dem Ziel, die christlichen Werte in Europa zum Ausdruck zu bringen. Zahlreiche Vertreter der bereits genannten Kirchen, Politiker europäischer Länder, Professoren der Universität von Thessaloniki und weitere Fachleute kamen in zahlreichen Plenarsitzungen zu Wort. Manchmal ging es recht kontrovers zu, z.B. wenn heftig darüber diskutiert wurde, ob zwischen den christlichen und den europäischen Werten ein Unterschied besteht; warum im Zukunftspapier der EU die Kirchen und der Glaube mit keinem Satz erwähnt würden und wie man mit der zunehmenden Säkularisierung umgehen sollte. Dann wiederum leuchteten sehr klare und mutmachende christliche Positionen auf, wie z.B. durch die Kulturministerin von Albanien.

Unsere ‘7 JA’>>, die ich bereits in der ersten Gesprächsrunde vorstellen konnte, fanden mehrfach positive Resonanz. Viele fragten interessiert nach, was Miteinander für Europa sei, da es ihnen noch unbekannt war. Viele Kontakte wurden geknüpft. Durch die Konferenz wurde das Anliegen, die christlichen Werte (und den christlichen Glauben) nicht aus dem Bewusstsein der EU zu verdrängen, neu belebt. Am letzten Tag fasste ein Teilnehmer das Hauptproblem wie folgt zusammen: „Wir Christen werden nicht gehört, weil wir nicht eins sind und deshalb nicht mit einer Stimme sprechen“.

Wir sollten mutiger unsere Stimme erheben und eindeutiger für unsere Werte einstehen, ohne sie anderen überzustülpen – das habe ich dort bezeugt, das ist meine tiefe Überzeugung.

Thessaloniki, Pfingsten 2024

Gerhard Proß


[1] CEC = Conference of European Churches. Die CEC ist eine Gemeinschaft von etwa 114 orthodoxen, protestantischen, anglikanischen und altkatholischen Kirchen aus allen Ländern Europas.

[2] COMECE = Commission of [Katholik] Bishops Conferences [cattoliche]of the European Union

[3] Inter-Parliamentary Assembly on Orthodoxy

Auf dem Weg in die Zukunft

Auf dem Weg in die Zukunft

Europäische Bischofssynode in Prag vom 7. bis 9. Februar 2023

Vom 7.-9. Februar 2023 tagte die Europäische Kontinentalversammlung der Bischofssynode in Prag. Je 4 Bischöfe bzw. Delegierte aus 39 Bischofskonferenzen nahmen daran teil. Als Moderator von Miteinander für Europa war ich als einziger Evangelischer dazu eingeladen, zusammen mit Margaret Karram und Francisco Canzani (Fokolar-Bewegung), Cesare Zucconi und Hilde Kieboom (Sant´Egidio), Pater Heinrich Walter und Maria Pelz (Schönstatt) und den Brüdern Matthew und Luce (Taizé) als Vertreterinnen und Vertreter von geistlichen Bewegungen.

Es ist den Verantwortlichen in sehr guter Weise gelungen, die Kontinentalversammlung auf einen Weg des Hörens mitzunehmen. Besonders die plenaren Zeiten waren dem Hören gewidmet, wenn z.B. alle Bischofskonferenzen von ihren Ergebnissen berichteten. Aber auch in den Arbeitsgruppen ging es darum, aufeinander zu hören und sich so gemeinsam auf den Weg zu machen. Synode kommt vom griechischen σύνοδος Syn hodos, d.h. miteinander auf dem Weg sein, genau dazu hatte Papst Franziskus die Katholische Kirche eingeladen.

Zu den Themen, die von vielen Ländern benannt wurden und die die Synode zu bearbeiten hätte, gehörten u.a.: Gleichberechtigung der Frauen und ihre Teilhabe an kirchlichen Ämtern; Frage nach dem Pflicht-Zölibat der Priester und der Weihe Verheirateter zum Priesteramt; Korrekturen im Umgang mit Gleichgeschlechtlichen und Klerikalismus.

Synodalität

Doch was bedeutet eigentlich Synodalität? Diese Frage stand offen im Raum und wurde immer wieder angesprochen. Wird die Synode zu einer gemeinsamen Entscheidungsfindung in den offenen Fragen finden, oder ist diese Versammlung eher ein Ort der Anhörung und es ist die Aufgabe der Bischöfe, darüber zu entscheiden? Können die Hoffnungen, die durch den synodalen Weg ausgelöst wurden, auch eingelöst werden?

Wir von Miteinander für Europa könnten sicherlich reichhaltige Erfahrungen im Blick auf die Synodalität einbringen, denn in vielen der Gemeinschaften und Bewegungen haben sich synodale Prozesse bewährt und das Miteinander selbst ist stets durch eine gemeinsame Entscheidungsfindung gekennzeichnet. Nicht Hierarchie, sondern das Hören aufeinander und das Einmütig Werden gehören zu unseren Grundlagen und zu unserem Erfahrungsschatz. Für mich war es eine Freude zu sehen, dass wir eingeladen waren, uns in vielen Gesprächen und persönlichen Begegnungen einbringen konnten und sicherlich auch durch unsere Grundhaltung und Erfahrung zu einer Atmosphäre der Offenheit und Begegnung beitragen konnten. Genau diese Wahrnehmung hatte Rev. Martin Michalíček, der Generalsekretär des Rates der europäischen Bischofskonferenzen (CCEE), durch seine Teilnahme an den Trägerkreisen-Treffen von Miteinander für Europa  in Augsburg und Porto gemacht und uns deshalb eingeladen.

Das Wort Gottes im Blick behalten

In einem kurzen Statement, das ich in die Synode einbringen konnte, formulierte ich drei kurze Gedanken, die mir für die Synode wichtig wurden:

  1. Ich nehme wahr, dass der synodale Prozess ein gewaltiges Hoffnungspotenzial freigesetzt Dazu kann ich Ihnen nur gratulieren.
  2. Ich wünsche der Synode, dass sie mutig einige Punkte formuliert, an denen Schritte der Veränderung nötig sind. Ohne konkrete Schritte könnte das Hoffnungspotenzial leicht in Resignation umschlagen.
  3. Für die konkreten Schritte wünsche ich der Synode das Licht des Wortes Gottes. In Psalm 119, 105 lesen wir: „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege“. Mich hat in diesen Tagen die Beobachtung beunruhigt, dass in manchen Beiträgen die Soziologie als normative Begründung immer wieder an die Stelle des Wortes Gottes getreten ist.“
Gebetsvigil in Rom

Möge das Hoffnungspotenzial des weltweiten synodalen Weges zu mutigen Schritten der Veränderung führen, die der Kirche helfen auf dem Weg in die Zukunft. Diesen Prozess gilt es, betend zu begleiten. Die Initiative aus Taizé, am Vorabend der Synode einen Tag des Gebets unter dem Thema „Together | Gathering of the People of God“ durchzuführen, unterstützen wir von Miteinander für Europa und laden dazu ein.

Gerhard Proß

Foto: Gerhard Proß mit Margaret Karram

 

Virtuelle Europa-Stunde im CVJM Esslingen

Virtuelle Europa-Stunde im CVJM Esslingen

Interviews – Gebet – 8. Mai 2020 19:30-21:00 per Zoom-Video

Wir laden zu einer virtuellen Europa-Stunde im CVJM Esslingen mit Interviews, Botschaften  und Gebet ein.  Die Gäste: Dr. Andreas Glück, EU Abgeordneter aus unserer Region wollte eigentlich zur Veranstaltung kommen und wird nun per Videobotschaft mit dabei sein. Dr. Cesare Zucconi, der Generalsekretär von Sant´Egidio in Rom wird uns in den europäischen Horizont in einem Live-Beitrag hinein nehmen und Dr. Ursula von der Leyen, EU Kommissionspräsidentin ist für eine Video-Botschaft angefragt.

Gerade in der Krise braucht Europa unser Gebet, um nicht in nationale Reflexe zurück zu fallen, sondern gemeinsam die Herausforderung der Gegenwart und Zukunft zu bewältigen. Deshalb nehmen wir uns auch dafür Zeit an diesem Abend.

Für den 09.05.2020, den Europa Tag, planen wir eine Gebetskette. Jeder ist eingeladen, sich in die Liste einzutragen (s.u.).

Wir hoffen, dass Du mit dabei bist. Bitte melde Dich bei Gerhard Pross info@gerhard-pross.de an, dann erhältst Du die Zugangsdaten für den virtuellen Raum.

Gebet macht einen Unterschied. Deshalb freuen wir uns auf eine rege Teilnahme.

Gerhard Proß

Miteinander für Europa unterstützt diese Initiative.

Foto: Pixabay josephredfield

 

Unser Ja zu Europa

Unser Ja zu Europa

Miteinander für Europa hat von der Geburtsstunde vor 18 Jahren an die Einheit des Volkes Gottes als Grundauftrag. Der zweite Grundauftrag ist die gesellschaftliche Dimension des Miteinanders für Europa. Angesichts der gegenwärtigen europäischen Krise erhält dieser Auftrag eine neue Herausforderung, um in der Vielfalt der Kulturen und Nationen ein konstruktives und zukunftsfähiges Miteinander in Europa zu leben.

Einheit ist möglich

„Einheit und Unterschiedlichkeit sind gleich ursprünglich [1]“ formulierte Br. Franziskus beim Kongress Miteinander für Europa 2007. Ganz ähnlich formuliert Piero Coda: „Wenn Gott Dreieinigkeit ist, sind Einheit und Vielfalt nicht nur kein Widerspruch, sondern gleich ursprünglich“ [2]. Uns bestimmte von Anfang an ein Bild der Einheit, das die von Gott geschenkte Vielfalt ausdrücklich anerkennt und bejaht. Gleichmacherei gefährdet die Identitäten und kann deshalb zum Bruch der Einheit in Vielfalt führen. Das gilt für das Politische wie für den kirchlichen Bereich.

Einheit in versöhnter Verschiedenheit

Aufgrund der vielen Brüche im Leben Einzelner, zwischen den Kirchen und zwischen Völkern bedarf es einer Versöhnung der Gegensätze, um zu einer versöhnten Einheit in Vielfalt zu kommen. Das gilt auch für die Vielfalt der Kulturen. Versöhnung statt Verurteilung und Abgrenzung ist angesagt. Damit eröffnet sich Zukunft, denn das Gift der Vergangenheit verliert seine Wirkung. Das Andersartige und Fremde verliert dadurch seine Bedrohung und wird zur Gabe. Wir erkennen als Versöhnte in der Verschiedenartigkeit den Reichtum des Lebens.

In allem ist Jesus die einende Mitte. Er gibt uns die Kraft und Hoffnung für die Einheit in versöhnter Verschiedenheit, denn Jesus Christus hat die Welt mit Gott versöhnt.

Gelebtes Miteinander als prophetisches Zeichen

Unser Miteinander in Europa wird praktisch gelebt in den Beziehungen untereinander. Wir machen uns auf, die anderen zu besuchen. Das Miteinander in Europa lässt neue Beziehungen entstehen, schafft Versöhnung und Zukunft. Es lässt etwas vom Wesen Gottes aufleuchtet, indem es Einheit stiftet, d.h. es ist ein prophetisches Zeichen.

Gebet verändert

Zum Auftrag von Miteinander in Europa gehört Gebet. Wir wollen nicht nachlassen, für dieses Europa zu beten. Gebet verändert. Es verändert uns und die Atmosphäre in unserem Land und in Europa, es verändert die Herzen von Menschen.

Unsere Hoffnung und unser Ja zu Europa

Wir engagieren uns für Europa, weil wir dies als einen Auftrag Gottes an uns verstanden haben. Wir sprechen ein entschiedenes Ja zu einem Europa der Einheit und der Vielfalt der Kulturen und Nationen. Dabei leuchtet vor unseren Augen ein positives Bild von Europa auf. Wir setzen uns ein für eine Kultur des Miteinanders, die auf der Grundlage des christlichen Glaubens entsteht. Unsere Hoffnung für Europa formulieren wir in einem 5fachen Ja.

Wir sagen Ja zu einem Europa der Versöhnung.

Aus dem Wunder der Versöhnung nach der Katastrophe der Weltkriege ist ein neues Europa entstanden. Die Kraft der Versöhnung, die wir aus dem christlichen Glauben empfangen, ermöglicht eine Heilung der geschichtlichen Wunden und ein versöhntes Miteinander der Verschiedenartigen.

Wir sagen Ja zu einem Europa der Einheit in Vielfalt.

Wir erkennen die Vielfalt als Reichtum. Vielfalt und Unterschiedlichkeit sind gleich ursprünglich. Beides gilt es in einer guten Balance zu halten. Wir freuen uns über den anderen und seine Charismen. Dieses Zusammenwirken der Charismen dient der Einheit des Volkes Gottes und der Einheit Europas.  Wir treten für einen föderalen Organismus in Europa ein. Mit Respekt und Wertschätzung achten wir verschiedene Hintergründe und Perspektiven.

Wir sagen Ja zu einem Europa der Begegnung, des Dialogs und des Friedens.

Aus der Begegnung wächst das gegenseitige Verstehen. Dies ist eine unserer Grunderfahrungen im Miteinander in Europa.  Wir sagen Ja zu einem Europa, das den Dialog mit allen sucht und den Weg des Aushandelns der verschiedenen Interessen wählt. Die EU und der Prozess der Einigung Europas bescherte uns 70 Jahre Frieden im Raum der EU. Wer das Nationale zu stark betont, wird die nationalistischen Ungeister rufen und Europa in die Zerstörung führen. Wer das Nationale verleugnet, verleugnet die Vielfalt und macht die Entstehung einer europäischen Gemeinschaft unmöglich. Wir machen Mut zum offenen Dialog für ein Europa, das in Frieden miteinander lebt.

Wir sagen Ja zu einem Europa der Barmherzigkeit und der Menschlichkeit.

Der christliche Glaube hat die Geschichte Europas geprägt. Er ist ein weltoffener Glaube. Menschlichkeit und Barmherzigkeit gehen vom gekreuzigten und verlassenen Jesus Christus aus und prägen den Kontinent. Beides zeigt sich im unbedingten Ja zum Leben und im Ja zur Ehe und Familie, im Ja zum Armen und Bedürftigen.

Europa ist mehr als der Euro, mehr als die Marktwirtschaft. Deshalb setzten wir uns dafür ein, ein Europa auf der Grundlage des christlich-jüdischen Erbes zu bauen, bei aller Offenheit für Andersdenkende und -glaubende. So stärken wir die Seele Europas.

Wir sagen ja zu einem Europa, dem Gott im Laufe der Geschichte eine Berufung anvertraut hat [3]:

Das Miteinander von Himmel und Erde, das Miteinander von Glaube und Weltgestaltung, denn im Gekreuzigten begegnen sich Himmel und Erde.  In diesem Auftrag für Europa erkennen wir auch eine Verantwortung für Afrika und den Nahen Osten.

Der lebendige Gott hat unserem Miteinander viel anvertraut. Deshalb wollen wir in unseren Bewegungen und in der Öffentlichkeit unser Ja zu Europa zum Ausdruck zu bringen.

Gerhard Proß beim Trägerkreis November 2018, Wien (gekürzte Fassung)

 

[1] „Miteinander auf dem Weg“ ISBN 978-3-00-022045-6, Br. Franziskus Jöst beim MfE Kongress 2007 Stuttgart, S. 21

[2] (Piero Coda in: Hanspeter Heinz [Hrsg], Christliche Kultur in einem Europa, S. 33)

[3]  P. Lothar Penners beim Europ. Trägerkreis 2016 in Castel Gandolfo mit Bezug zu Pater Kentenich