Wenn wir heute von Europa sprechen, dann sprechen wir von wirtschaftlichen Problemen, von Konflikten und Kriegen. Manchmal hat man den Eindruck, Europa zerfällt. „Diese Gefahr macht die Arbeit des Netzwerks MfE, das die spirituellen Wurzeln des Kontinents betont, umso wertvoller“, sagt eine Journalistin, die das Netzwerk seit einiger Zeit begleitet.
Auf den Frieden in Europa Einfluss nehmen
Im April 2025 fand das alljährliche Treffen des Leitungskomitees MfE im slowakischen Bratislava statt. Gastgeber in Mitteleuropa war dieses Mal das charismatische katholische Netzwerk ENC (European Network of Communities). Achtzehn Personen aus sieben Bewegungen und fünf Ländern vertraten das europäische Netzwerk MfE in Bratislava, darunter Margaret Karram, Präsidentin der Fokolar-Bewegung, Gerhard Pross, Moderator von MfE, sowie weitere Leiter von Quinta Dimensione, Vineyard, Schönstatt und verschiedenen CVJMs in Deutschland. „MfE will ein Dienst für Europa sein. Unter uns üben wir uns ständig darin, Einheit in der Vielfalt zu schaffen. Und durch diese Erfahrung kann MfE einen positiven Einfluss auf die Friedensarbeit in Europa ausüben“. So erklärte es Sr. Nicole Grochowina, Christusbruderschaft Selbitz. Und dann wurde Jesaja 43,19 zitiert: „Siehe, nun mache ich etwas Neues, seht ihr es nicht?“
Ein atemberaubendes Panorama
Dieser innovative Geist wurde besonders spürbar, als Vertreter von sieben slowakischen Bewegungen, christliche Politiker des Landes (Eduard Heger, Miriam Lexmann, Viliam Karas und Branislav Skripek) und Persönlichkeiten ausder Kirche, darunter Nuntius Monsignore Nicola Girasoli, dazu kamen. Die slowakischen Bewegungen stellten ihre Charismen und ihr Engagement vor, viele von ihnen in der Welt der Jugend. Der Nachmittag war für sie eine einzigartige Gelegenheit, MfE kennen zu lernen, sich aber auch untereinander zu begegnen. Die Slowakei ist ein politisch geprüftes Land mit großer innerer Stärke. Dies wurde in der Begegnung besonders deutlich. Am nächsten Morgen stellten Vertreter des ENC Slowakei mit ihrem Vorsitzenden Alex Myskov die Arbeit ihres Netzwerks vor.MfE und ENC haben offen miteinander kommuniziert und sind sich in diesem Treffen sehr nahe gekommen.
Ruft es von den Dächern (Mt 10,27)
„Es ist wichtiger denn je, die Erfahrungen von MfE nicht unter den „Scheffel zu stellen“, sondern sie von den Dächern zu rufen.“ Mit diesen Worten ermutigte Margaret Karram das Komitee zu weiteren Schritten. „MfE gibt Europa den Impuls, mit zwei Lungenflügeln zu atmen, d.h. den Dialog zwischen Ost und West zu leben.“ Verschiedene Projekte, wie z.B. eine größere Veranstaltung 2027, sollen beim Trägerkreistreffen vom 6. bis 8. November 2025 in Castel Gandolfo/Rom weiter besprochen werden.
Thomas Römer, Pastor der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, schlägt uns vor, jeden Tag ein Wort aus dem Evangelium zu betrachten, in dem Jesus uns versichert: „Ich bin …“. Und jeden Tag legen wir eine Gruppe europäischer Nationen in seine Hände.
Wie in den vergangenen Jahren beten wir dieses Gebet nach einer alten Tradition des Christentums. Es handelt sich um eine Novene, also einen neuntägigen Weg, vom 30. April bis zum 8. Mai.
Gehen wir diesen Weg als Gruppe, Gemeinschaft oder auch einzeln, aber immer vereint und im Vertrauen auf die Worte Jesu: „… Was auch immer zwei von euch auf Erden einmütig erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ (Mt 18,19-20)
Die Gemeinschaft von Taizé ist ökumenisch ausgerichtet und von regelmäßigen Gebetszeiten am Morgen, Mittag und Abend geprägt, bei denen die bekannten Taizélieder, eine Bibellesung, gemeinsames Schweigen und der Kommunionempfang eine zentrale Rolle spielen. Die ca. 60 Brüder laden Jugendliche aus der ganzen Welt ein, um eine Woche an ihrem Leben teilzunehmen. So waren beispielsweise gleichzeitig mit der Delegation von Miteinander für Europa (MfE) etwa tausend Jugendliche aus Portugal in Taizé.
Begegnung
Über das gemeinsame Bibellesen (Joel 2,12-18) kam die Delegation mit Bruder Matthew, dem Prior der Gemeinschaft, sowie mit Bruder Richard und Bruder Andreas ins Gespräch. Der Text berührte die Lesenden gerade im Hinblick auf Europa, nämlich „das Herz und nicht die Kleider zu zerreißen.“ Der Ruf gehe an alle Generationen, um sich Gott in echter Hingabe zu nähern und IHN um sein Erbarmen zu bitten. Darin war sich die Gruppe einig. Im Kontakt mit den vielen jungen Menschen bekommen die Brüder in Taizé auch Einblick in deren Ängste, bei denen sie dringend Begleitung benötigen. Taizé ist so für die Jugend sicherlich ein geistlicher Ort, an dem sie Gehör und Verständnis finden.
Brücke zu Miteinander für Europa
Wie kann nun eine Brücke von Taizè zu MfE geschlagen werden? Das Dreier-Team erkannte, dass im Miteinander der Brüder vor Ort, in der Treue ihrer Gebete und ihrer Gastfreundschaft für Jugendliche ihr Charisma und tatsächlich ihr Beitrag für ein Miteinander und damit auch für Europa liegt. Es gehe nun zunächst darum, aus der tiefer gewordenen Freundschaft heraus gemeinsam die nächsten Schritte zu ertasten, wie sie es in Taizé ausdrücken. Und wer weiß? Vielleicht wird es in Zukunft ein „Miteinander für Europa“-Treffen von Jugendlichen in Taizé geben? Die Brüder und MfE können es sich jedenfalls durchaus vorstellen.
Eindrücke
Sr. Nicole, P. Raffael und Matthias sind erfüllt und beschwingt nach Hause zurückgekehrt. „Neben der Begegnung mit den Brüdern in Taizé haben uns diese Tage – als mittlere und jüngere Generation im Leitungsteam – näher zueinander gebracht. Wir brauchen diese Erfahrung. Die gemeinsamen Reisen und Begegnungen mit den verschiedenen Bewegungen, die wir besuchen, lassen uns erkennen: Miteinander in Europa lebt, und wir gehen miteinander weiter!“
Seit etwa vier Jahren, schon vor dem Ausbruch des großflächigen Krieges in der Ukraine, treffen wir uns jeden Donnerstagabend online, um gemeinsam für den Frieden zu beten. Wir gehören verschiedenen Kulturen und Nationen aus Ost- und Westeuropa an. Seit einigen Monaten haben sich auch Vertreter aus dem Heiligen Land angeschlossen.
Wir sind nur etwa hundert, aber es ist immer ein besonderer Moment, der uns spüren lässt, dass wir eine einzige Familie sind, die gemeinsam zu Gott betet und um Frieden bittet. Für uns hier in der Ukraine ist es ein großes Geschenk, zusammen zu beten, denn es gibt uns die Kraft durchzuhalten und lässt uns die Nähe vieler Menschen spüren. Und das gibt uns Hoffnung für die Zukunft.
Ljubljana: drei Jahre lang jeden Tag
Marjana und Pavel Snoj erzählen: Der Angriff Russlands auf die Ukraine am 22. Februar 2022 hat uns überrascht und in Angst versetzt – damit haben wir wirklich nicht gerechnet! Wir in Slowenien wissen, was ein Krieg ist; wir haben ihn auch nach dem Zerfall des ehemaligen Jugoslawien Anfang der 90er Jahre erlebt und tragen noch immer seine Wunden. Deshalb haben wir uns gefragt, was wir gegen diesen Krieg tun können, der immer eine Quelle von Schmerz, Zerstörung und Tod ist. Eine Möglichkeit war uns sofort klar: das Gebet! Denn wir sind sicher, dass das Gebet alles von Gott erlangen kann.
Also haben wir uns entschlossen, ein Online-Gebet zu gestalten. Wir sind etwa 60 Personen aus verschiedenen Bewegungen und Gemeinschaften, die seit Februar 2022 jeden Tag 30 Minuten lang gemeinsam beten. Wir haben nie damit aufgehört, unter keinen Umständen. Am Ende des Gebets bleiben wir noch kurz miteinander verbunden, etwa 5 bis 10 Minuten, um die neuesten Nachrichten über die Kriegssituation, die Sorgen und Freuden, die wir alle erleben, auszutauschen. Es entsteht wirklich eine echte Familie unter uns, weil wir füreinander leben. Wir glauben an den Frieden und daran, dass er bald möglich sein wird.
Esslingen: Wahrnehmung, Nähe, Gebet
Judith Kaiser schreibt: „Seid fröhlich in der Hoffnung, standhaft in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet“ – so der Ruf aus Römer 12,12. Vielleicht ist es dieser Ruf, der uns als Christen aus verschiedensten Glaubensgemeinschaften jeden Dienstagabend im deutschsprachigen Raum im ökumenischen Zoom-Gebet für Frieden in der Ukraine zusammenbringt.
In unserem Gebet für einen gerechten Frieden setzen wir auf die Hilfe des Herrn in aller Not, die uns bewusst ist. Seit November 2023 sind wir eine konstante Beterzahl von 10- 20 Personen. Durch Miroslav aus Uschhorod und manchmal Viktor aus Lwiw ist die Ukraine im Zoom- Gebet immer mit dabei. Ihre Wahrnehmungen, Berichte, Grüße und Anliegen helfen uns konkret zu beten und Gottes Wirken und sein Antworten zu erkennen. Unsere Verbundenheit im Gebet hat uns nicht selten eine Herzensnähe spüren lassen, die uns jedes Mal aufs Neue erfrischt. Nach einem kurzen Impuls beten wir laut oder im Stillen, Fürbitte, segnend, das Wort Gottes bekennend… jeder in seiner Weise. Am Ende richten wir das Gebet noch konkret auf Israel und die dortige Situation. Einmal im Monat leitet uns Hans-Joachim Scholz im Gebet der Versöhnung.
Oft erleben wir, dass wir selbst durch diesen Moment gesegnet und im Glauben gestärkt werden. Und Gott handelt immer wieder aufs Neue – dafür danken wir ihm!
Den Puls der aktuellen Ereignisse vor Gott bringen
Wir möchten mit einem Gedanken von Papst Franziskus (1) schließen: „Vielleicht haben uns die Macht der Gewohnheit und eine gewisse Ritualisierung dazu verleitet zu glauben, dass das Gebet den Menschen und die Geschichte nicht verändert. Und doch verwandelt das Gebet die Wirklichkeit. Es ist aktive Mission, beständige Fürbitte. Es bedeutet nicht Entfernung von der Welt, sondern Veränderung der Welt. Beten heißt, den Puls der aktuellen Ereignisse vor Gott zu bringen, damit sich sein Blick auf die Geschichte weit öffnet.(…) Wenn das Gebet lebendig ist… fordert es uns immer wieder heraus, uns vom Hilferuf der Welt aufrütteln zu lassen.“
Wer an der Teilnahme an einem dieser Gebetsmomente interessiert ist, kann über die Website Kontakt mit uns aufnehmen.
Das internationale Sekretariat von Miteinander für Europa
(1) Predigt in der Chiesa del Gesù in Rom, am 12.März 2022
Der Prophet Jeremia hatte eine klare Vorstellung davon, was es heißt, im Umfeld dessen, wo wir wohnen und leben, Bestes zu suchen. Er wusste: Das Volk Gottes gedeiht, wenn es sich nicht abschottet, sondern sich dienend in die Gesellschaft einbringt. So schafft es Raum für Leben und Hoffnung für kommende Generationen.
Dass Gott sein Volk versammeln will, erleben wir seit Jahren. Wir sind uns bewusst, dass das Geschenk-Charisma, das Er jeder Bewegung und Gemeinschaft gegeben hat dazu bestimmt ist, „Licht und Salz“ in der Gesellschaft zu sein, in der wir leben, in ganz Europa. Mitten in der tiefen Krise, die wir heute durchleben, suchen wir gemeinsam nach dem Besten in den Herausforderungen und Möglichkeiten unserer Zeit.
Die Initiative in München soll eine Erfahrung der Freundschaft und Inspiration werden. Miteinander wollen wir Gott feiern und in Einheit und Versöhnung leben. MITEINANDER FÜR EUROPA.
Am Freitag, den 27. Juni, wird das „MITEINANDER“ vertieft: Es gibt eine Stadtführung, gefolgt von einem Imbiss und einem Abendprogramm.
Am Samstag, den 28. Juni, geht es um das „FÜR“: Vertiefung des Textes von Jeremia 29,7, gefolgt von Momenten des Austauschs. Am Nachmittag gibt es thematische Foren zu: Gebet für die Stadt/Region, soziale Initiativen, Jugend, Ehe und Familie, Weitergabe des Evangeliums, Migration und andere. Am Abend schließen Lobpreis und Gebet den Tag ab.
Am Sonntag, 29. Juni, steht „EUROPA“ im Vordergrund. Um 10.00 Uhr ist ein Gottesdienst vorgesehen.
Weitere Informationen und Anmeldung auf der nationalen Website: www.miteinander-wie-sonst.org. Die Veranstaltung wird auf Deutsch durchgeführt, Übersetzungen sind nicht vorgesehen.
Tief im Glauben verwurzelt, war Bischof Christian Krause ein Wegweiser und einzigartiger Verfechter der Einheit der Christen. Nach jahrelangen Beratungen mit der katholischen Kirche gelang es ihm die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre am 31. Oktober 1999 für den Lutherischen Weltbund zu unterschreiben. An jenem historischen Tag lernte er Chiara Lubich, die Gründerin der Fokolar-Bewegung kennen. „Sie und Card Miloslav Vlk standen auf einmal vor mir und es begann eine ganz besondere Beziehung. Ich lernte das Charisma der Einheit, Jesus in der Mitte, kennen…“, erzählte er noch wenige Tage vor seinem Tod in einem Telefongespräch.
2004 nahm er gemeinsam mit 55 Bischöfen aus verschiedenen Kirchen an der ersten Großveranstaltung von Miteinander für Europa in Stuttgart teil. Am Vorabend – es ging der Mitarbeiter-Kongress zu Ende – stand er mit dem Kurienkardinal Walter Kasper auf der Bühne und schaute in den Saal, der mit 2.000 Personen gefüllt war – „Ich war überwältigt. Mein Herz ist voll Dankbarkeit, in einen Saal zu blicken und zu wissen: das sind alles meine Schwestern und Brüder!“ (Neue Stadt, 6/2004)
Von dieser Stunde an begleitete Bischof Christian den Weg des Netzwerkes in großer Treue. Er war für ihn ein „neuer ökumenischer Aufbruch“ auf dem Weg zur Einheit der Christen. Anlässlich des 85. Geburtstags von Kardinal Kasper sagte er in einem Festvortrag an der Deutschen Botschaft am Hl. Stuhl in Rom: „Inzwischen hat sich der Weg vom Konflikt zur Gemeinschaft auf vielen Ebenen fortgesetzt. Eine solche Ebene bilden die geistlichen Bewegungen und Kommunitäten, die sich mehr und mehr unter Berufung auf die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre über nationale und konfessionelle Grenzen hinweg zu neuen ökumenischen Gemeinschaftsaktionen zusammenfinden, wie z.B. Miteinander für Europa“. (Rammler, Christian Krause: Weite Wagen, S.302).
Unvergesslich sind seine ermutigenden Grußworte, die er immer wieder an die Freunde des Netzwerkes richtete. Sie waren wegweisend, oft prophetisch. Bei der kürzlich stattgefundenen Begegnung in Graz-Seggauberg war für viele der 200 Teilnehmer seine Audiobotschaft einer der Höhepunkte. Unter anderem sagte er: „Wenn das Treffen in Graz sein wird, dann wird es noch mehr als schon vorher auch in der jüngeren Generation eine Sehnsucht nach Einheit geben. Die ist jetzt gar nicht über die Kirche geleitet, sondern allgemein. Wir zerfallen, Europa zerfällt in erschütternder Weise. Aber auch die neuen Partnerschaften und Gruppierungen politischer Art, wirtschaftlicher Art und so weiter, die neuen Kriege, die da sind… Und deswegen ist es noch mal von ganz hoher Bedeutung, dass die Christen begreifen: die Einheit, das ist ihr Mandat. Das ist ihr Geschenk. Also: Charisma der Einheit, Jesus in der Mitte. Das reicht, das sind die Pfeiler. Und deshalb: jetzt die Christen nach vorne, bitte.Das ist Graz, das ist meine Hoffnung“!
Eine junge Teilnehmerin kommentierte: „Diese Staffel übernehme ich!“. Und mit ihr haben viele andere das Vermächtnis von Bischof Christian Krause übernommen.
Wir sind uns bewusst, dass ein Mann, der die grenzenlose Liebe Gottes in seinem Leben erfahren hat, von uns gegangen ist. Seine Botschaft von der Einheit der Christen als Antwort auf die Nöte unserer Zeit bleibt unter uns lebendig. Es ist schmerzlich, so einen geliebten und weisen Freund zu verlieren, aber es bleibt die Dankbarkeit für solch ein gesegnetes Leben, an dem er viele hat teilnehmen lassen.
Lieber Bruder, Bischof Christian, wir halten Deinen letzten Aufruf im Ohr und im Herzen: „Geht voran, ihr seid auf dem richtigen Weg!“ Im Glauben, dass uns nichts von der Liebe Christi trennen kann, bleiben wir Dir verbunden.