Der Glanz Europas sind seine Menschen

Der Glanz Europas sind seine Menschen

Der Versöhnung  den Weg bereiten.

Walter Kriechbaum ist evangelischer Pfarrer und CVJM-Sekretär in München. Sein Herz schlägt für Europa und dafür, Versöhnung zu leben. Darum  pflegt er u. a. im internationalen Netzwerk der ökumenischen Initiative Miteinander für Europa Freundschaften auch  in Polen und in der Ukraine.

„Als Deutscher treffe ich bei meinen Reisen nach Osteuropa oft auf die Grausamkeiten in der Geschichte. Sprachlos stand ich in Lutsk/Ukraine mit  polnischen Freunden an den Gedenkstätten für die Tausenden von Polen, die grausam umgebracht wurden oder auf einem Gräberfeld inmitten eines der größten Schlachtfelder des Zweiten Weltkriegs. Plötzlich baten mich  die  Freunde, ich möge doch als Deutscher und Evangelischer über den Toten beten, um Vergebung bitten und Frieden für unsere Völker in Europa erbitten.“ Walter Kriechbaum erkannte, dass versöhntes Miteinander  u.a. bedeuten kann, den Weg der Trauer  mit anderen mitzugehen, den Schmerz der anderen zum eigenen Schmerz zu machen.  „Ökumenische Versöhnung bedeutet, auf die Gaben der anderen zu achten und ihnen Entfaltungsraum zu schaffen.“ Der Schmerz über die noch nicht vollständige Einheit, meint Walter,  scheine so etwas wie der Same für Zukünftiges zu sein.

Versöhnung fragt nicht nach Proporz

München 2016. Während eines ökumenischen Gebetes für die Einheit Europas, das Polen und Deutsche gemeinsam vorbereitet hatten, betreten unerwartet 20 Russen die Kirche.  Walter, der den Dienst mit einem polnischen Freund  leitet,  ist kurz ratlos, wie er mit der neuen Situation umgehen soll. Dann bittet er eine Teilnehmerin der russischen Gruppe, sich ins gemeinsame Gebet einzubringen und ebenfalls nach vorn zu kommen. Katholiken, Protestanten, Mitglieder von Freikirchen  und russisch- Orthodoxe werden abschließend von einem polnischen Priester der Schönstatt-Bewegung gesegnet. Walter: „Ich habe gelernt, dass ökumenische Versöhnung  nicht nach Proporz fragt und danach, wer Recht hat. Im Herzen des anderen wohnt Jesus Christus, der  auf überraschende Weise die Verschiedenheit zur Ergänzung werden lässt, ohne sie auszulöschen.“

Versöhnung benötigt Vertrauen

Auf seinen vielen Reisen durch Osteuropa baut Walter ein Netz von Freundschaften auf. „Aber dazu braucht es Geduld und Ausdauer. Oft dauert es Jahre, bis das Misstrauen schwindet. Ich habe erkannt, dass ökumenische Grenzerfahrung bedeutet, zugleich nah und fremd zu spüren und die Spannung auszuhalten. Im gemeinsamen Blick auf Jesus entsteht dann langsam eine innere Nähe. Sie kann nicht erzwungen werden, sondern ist Werk Gottes.“ Das so entstandene Vertrauen ineinander mache dann sprachfähig und schaffe eine innere Freiheit, berichtet Walter.

Versöhnung setzt Loslassen voraus

„Ökumenische Versöhnung und Verbundenheit kann man nicht organisieren“ sagt Walter. „Wir müssen einander immer wieder loslassen und uns stets neu in den Kairos Gottes hineinbegeben. Er allein kennt den richtigen Zeitpunkt.“ Aber sicherlich könne man die Wege dazu ebnen. „Gemeinsam werden wir es schaffen, Europa neu erstrahlen zu lassen. Sein Glanz sind seine Menschen, die unterwegs sind nach Versöhnung.“ Davon ist Walter überzeugt und dafür lebt er – jeden Tag aufs Neue.

Zusammengestellt von Beatriz Lauenroth

Die Berufung von Ottmaring

Die Berufung von Ottmaring

VIDEO – INTERVIEW

Seit einiger Zeit laufen die Vorbereitungen für die Feier der „20 Jahre Miteinander für Europa“. Der Funke dieses originellen ökumenisch-europäischen Netzwerkes entstand im Ökumenischen Lebenszentrum Ottmaring nach der historischen Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre in Augsburg.

Severin Schmid hat die Entstehung dieser Weggemeinschaft – von der „die Partitur im Himmel geschrieben ist“ – erlebt und an ihrem Entwicklungsprozess mitgewirkt. Darüber haben wir ihm einige kurze Fragen gestellt.

Ilona Toth aus Ungarn, Mitglied des derzeitigen Leitungskomitees von Miteinander für Europa, nahm 2018 an der Feier zum 50-jährigen Bestehen von Ottmaring teil. Welchen Eindruck hat ihr dieses ökumenische Zentrum bei Augsburg gemacht?

Die Schönheit der Vielfalt erleben

Die Schönheit der Vielfalt erleben

Maria Voce, auch als Emmaus bekannt, ist Mitglied des Leitungskomitees von Miteinander für Europa. Innerhalb der Fokolar-Bewegung, deren Präsidentin sie ist, findet in diesem Sommer eine Veranstaltung auf europäischer Ebene statt. 

Aus Ihren Interviews, die Sie im Blick auf diese Veranstaltung gegeben hat, haben wir zwei ausgewählt, da sie den Geist unseres Netzwerkes unterstreichen. 

Foto: Diego Goller

Sich in die weltweiten Herausforderungen einbringen

Sich in die weltweiten Herausforderungen einbringen

Anlässlich der Wahl von David-Maria Sassoli zum Präsidenten des Europäischen Parlaments, hier ein Auszug aus dem Interview vom 24. März 2017, Vorabend des 60. Jahrestages der  «Römischen Verträge». Herr Sassoli hatte an der von Miteinander für Europa organisierten ökumenischen internationalen Gebetsfeier teilgenommen.

Bericht der Journalistin Claudia Di Lorenzi

„Der Welt zu zeigen, dass Geschwisterlichkeit und Einheit trotz kultureller und konfessioneller Unterschiede möglich sind.“ Mit diesem Ziel vor Augen fand in Rom, in der Basilika der XII. Apostel, eine ökumenische Gebetsfeier für Europa>> statt. Es war eine Gelegenheit, bei der Mitglieder des internationalen MfE-Netzwerks mit Vertretern italienischer und europäischer Institutionen zusammenkamen. An 56 weiteren europäischen Orten gab es ähnliche Initiativen.

Unter den Anwesenden der Veranstaltung in Rom war auch David-Maria Sassoli, Italienischer Europaparlamentarier der Demokratischen Partei. Wir haben ihn befragt:

Herr Sassoli, am Vorabend des 60. Jahrestages der «Römischen Verträge», die kennzeichnend für die Geburtsstunde der Europäischen Union sind, beobachtet man vielerorts, dass Europa seine christlichen Wurzeln verloren hat. Es ist konzentriert auf die Finanzen, die Bürokratie und die nationalen Interessen und erscheint unfähig zu Solidarität, Gastfreundschaft und zu einem Entwicklungsprojekt, das auf den Menschen ausgerichtet ist. Was sagen Sie dazu?

„Vor allem müssen sich die Christen mehr zu Wort melden und es braucht in der christlichen Welt ein Netzwerk, das Zeugnis für andere gibt. Denn es gibt Werte wie den Frieden, die Koexistenz, die Solidarität, die Gerechtigkeit, die durchaus christliche Prägung haben, aber  die sich heute auch nicht-christliche Bürger als Paradigma für ihren politischen, kulturellen und moralischen Einsatz zu eigen gemacht haben. Es sind diese Elemente, die die europäische Identität ausmachen: Darüber müssten die Christen froh und dankbar sein, denn in der europäischen Identität finden sich jene Werte wieder, die auch dem christlichen Weltbild eigen sind. Doch in diesem Moment sind wir gefordert, dies unseren Mitbürgern gut zu erklären, denn Europa macht heute Angst, bereitet Sorge, wird als Last empfunden; stattdessen müssten wir in der Einheit der Europäer jenen Wert erkennen, der es uns ermöglicht, der großen Herausforderung unseres Jahrhunderts gewachsen zu sein: die Gestaltung des globalen Marktes. Globalisierung ohne Regeln führt zu Ausgrenzung, Armut, Elend und kann sich für große Teile des Planeten katastrophal auswirken. Die große Herausforderung an Europa ist es, der Welt diese Regeln und Werte zu geben. Denn die Regeln dieses Marktes ohne Schutz der Menschenrechte, ohne Freiheit und Demokratie, wären reine Wirtschaftsgesetze, die vor allem den Starken dienen – und das wollen wir nicht. Also sind wir aufgerufen, die christlichen Werte, die schon am Ursprung der europäischen Identität standen, heute auch in die weltweiten Herausforderungen einzubringen.“

Hier geht’s zum vollständigen Interview>>

Foto: ©Thomas Klann

 

Einem christlichen Neuaufbruch entgegen

Einem christlichen Neuaufbruch entgegen

Miteinander für Europa 1999-2019 – Interview mit Pál Tóth

Die Initiative Miteinander für Europa wird 20 Jahre. Zu diesem Anlass stellen wir Pál Tóth, Dozent am Universitätsinstitut Sophia, Loppiano (Florenz), zwei Fragen zum Selbstverständnis des Netzwerkes und wie Miteinander für Europa auf die heutigen Herausforderungen antworten kann.

  1. 1999 ist Miteinander für Europa Wie unterscheidet sich diese freie Vernetzung von christlichen Gemeinschaften und Bewegungen von anderen Gruppen, die sich heute für Europa einsetzen? Was ist ihr Spezifisches?

Die Anerkennung des Andersseins und somit des Pluralismus ist eine Errungenschaft der westlichen Kultur. Im biblischen Glauben ist die Überzeugung verwurzelt, dass jede und jeder von uns ein einmaliges Geschöpf ist, für das Gott einen Plan der Liebe hat. Mit dieser Entwicklung stellt sich jedoch auch eine neue Herausforderung für die im Christlichen verwurzelten Gesellschaften: Wie gehen wir mit dieser reichen Vielfalt um? Wie können wir zu der für das Handeln notwendigen Einheit gelangen? Diese Frage ist im Zeitalter der globalen Herausforderungen sehr aktuell geworden. Heutzutage sind die Probleme nicht mehr nur lokal, sondern wir haben es mit übergreifenden Herausforderungen wie Klimawandel, Migration, Armut, ungezügeltem Kapitalismus usw. zu tun. Um auf diese Herausforderungen angemessen reagieren zu können, bedarf es einer viel effektiveren Zusammenarbeit auf globaler Ebene. Meiner Meinung nach könnte und sollte Europa, aufgrund seiner Rolle bei der Entwicklung innovativer Gedanken im Laufe der Jahrhunderte, eine entscheidende Rolle in diesem Prozess spielen.

Ich bin überzeugt, dass die Kirchen über eine besondere Ressource verfügen, um eine Einheit zu verwirklichen, die nicht unterdrückt, sondern Vielfalt schätzt. Diese Fähigkeit wird in der Initiative Miteinander für Europa sichtbar. Der Pluralismus ist auch in den Kirchen präsent, aber er ist ein Pluralismus der verschiedenen Charismen und Gaben und dieser Pluralismus ist zur Einheit fähig. Warum? Weil wir an der Basis jedes wahren Charismas ein Wort Gottes finden.

Die Charismen sind unterschiedlich, aber ihre gemeinsame Wurzel ist das Wort Gottes, letztlich das neue Gebot: Liebt einander. Dies ist ihr gemeinsames Fundament, das eine Grundlage für Einheit und Zusammenarbeit schafft. Tatsächlich gründet Miteinander für Europa seine Aktivitäten auf einem „Bund der gegenseitigen Liebe“ zwischen Vertretern verschiedener christlicher Bewegungen und Gemeinschaften unseres Kontinents.

Dann dürfen wir die Frauen und Männer der „ersten Stunde“ von Miteinander nicht vergessen. Seit 20 Jahren widmen sie sich mit Leib und Seele dieser Initiative. Gewiss sind sie schon aus rein menschlicher Sicht fähige Persönlichkeiten, die treu zu ihrem Engagement stehen. Aber ich würde noch mehr sagen: In dem jetzt fernen Jahr 1999 wurde ihre Seele von einem starken Licht, vom Göttlichen, berührt. Sie verstanden mit dem Herzen, dass sich in der gelebten Einheit eine andere Welt verwirklicht, ein neues Europa. Und dieser Moment der „Gründung“ hat in ihnen eine Überzeugung in die Einheit in Vielfalt hinterlassen, die sie heute an andere weitergeben möchten. Sie wissen, dass ihre Träume und Sehnsüchte der Vergangenheit inzwischen zu einer Überlebensbedingung geworden sind. „Alles beruht auf den Charismen. Wir müssen sie entdecken“. So Chiara Lubich, Mitbegründerin von Miteinander für Europa.

  1. Was sollte Miteinander für Europa tun, um immer mehr Sichtbarkeit zu gewinnen?

Die mehr als 300 Bewegungen und Charismen von Miteinander für Europa sind bereits ein sichtbares Zeugnis von Zusammenarbeit und Einheit. Über die Erklärung gemeinsamer Werte und Momente des gemeinsamen Gebets bei besonderen Anlässen hinaus, kommt zum Vorschein, was die Bewegungen bereits gemeinsam tun, um auf die oben genannten Herausforderungen zu reagieren. Sichtbarkeit erlangen sie durch die gemeinsamen Aktionen, die Zustimmung und Gemeinsamkeiten schaffen. In dieser Hinsicht könnte Miteinander für Europa schrittweise noch mehr gemeinsame Aktionsprojekte entwickeln.

Eines der Projekte könnte eine permanente Plattform für den Dialog zwischen Ost- und Westländern sein. Mit dem Treffen 2017 in Wien machte Miteinander einen ersten Schritt. Vertreter der Slowakei, der Tschechischen Republik, Ungarns, Sloweniens und Russlands nahmen den Dialog mit den westlichen Ländern auf. Man konnte das Engagement (und die Bemühungen) sehen, über die Unterschiede und Kritikpunkte hinauszugehen, die oft die Verständigung zwischen Ost und West behindern. Auf dieser Schiene würde ich für die Zukunft eine Zusammenarbeit in verschiedenen Themenbereichen sehen, wie zum Beispiel das Konzept von Nation, die Beziehung zwischen Kirche und Staat, die Menschenrechte, das Bedürfnis nach Einheit und Wahrheit usw.

Mit verschiedenen Projekten auf kirchlicher, politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene bildet Miteinander für Europa ein wachsendes Netzwerk von Bürgern, die sich für einen „christlichen Neuaufbruch in Europa“ einsetzen. Dabei soll negative Kritik überwunden und kritische Fragen im Blick auf Wachstumsmöglichkeiten für alle, gemeinsam besprochen werden.

Beatriz Lauenroth, Mariënkroon (Niederlande) 

 

Miteinander für Europa in wenigen Minuten

Miteinander für Europa in wenigen Minuten

Ein internationales Team von Fachleuten ist dabei, einen Videoclip vorzubereiten. Anlass dazu sind die 20 Jahre Miteinander für Europa, die im November in Ottmaring (bei Augsburg) gefeiert werden.

«Die letzten Veranstaltungen von Miteinander für Europa führten uns nach Klagenfurt, nach  Ottmaring und nach München. Dort haben wir begonnen die heutige Identität und die Bedeutung der Erfahrung von 20 Jahren Weggemeinschaft dieses Netzwerkes zu entdecken. Durch Interviews und Videoaufnahmen werden wir im November – pünktlich zum Jubiläum – erzählen, wie sich diese Initiative präsentiert und wie sie tätig ist. In der Zusammenarbeit mit verschiedenen Menschen haben wir gesehen, wie es möglich ist, Einheit in Vielfalt zu leben. Wir haben festgestellt, wie die verschiedenen Charismen Antworten auf die Probleme sein können und warum Europa in der Lage sein muss, einen konstruktiven Dialog zu führen zwischen verschiedenen Kirchen, Gemeinschaften, Bewegungen, Völker…» So fasst Dalma Timár, Ungarin, Expertin für Videomontage, ihren Eindruck zusammen. Gemeinsam mit Vera Bohus, Kamerafrau, ebenfalls Ungarin, und Cinzia Panero, Italienerin und Regisseurin, hat sie sich auf das Dokumentieren dieser originellen europäischen Erfahrung eingelassen.

Die Drei gewähren uns eine kurze Vorschau der vielen Bilder und Aussagen aus den Interviews.

Freundschaft ist ein sehr wichtiges Thema im Miteinander für Europa. Die Art von Freundschaft, die uns effektiv verbindet ist die, Freunde von Christus in unserer Mitte zu werden. (Sr. Nicole Grochowina – Selbitz)

Miteinander für Europa hat mein Leben verändert. Vom ersten Moment an habe ich gespürt, wie der Geist Gottes uns nimmt und voranbringt. (Gerhard Pross – Esslingen)

Für uns ist die Kultur der Gegenseitigkeit sehr wichtig. Sie ist etwas, was wir alle innerlich spüren, niemand zwingt sie uns auf. (Pavel Snoj – Ljubljana)

Im Miteinander für Europa finde ich die „Werkstatt“, in der wir als Männer und Frauen, Mitglieder verschiedener Bewegungen und Gemeinschaften, Geistliche und Laien verschiedener Kirchen gemeinsam versuchen, jenen Weg zu finden, der die Antwort auf die Frage ist, was es bedeutet, heute in Europa als Christen zu leben. (Ilona Tóth – Ungarn)

Meines Erachtens müssten wir wirklich von unten beginnen, bei der Gemeinschaft, im Familienleben, zwischen den Gemeinschaften. (Matthew Fanni Canelles – Trieste)

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