Anlässlich der Wahl von David-Maria Sassoli zum Präsidenten des Europäischen Parlaments, hier ein Auszug aus dem Interview vom 24. März 2017, Vorabend des 60. Jahrestages der «Römischen Verträge». Herr Sassoli hatte an der von Miteinander für Europa organisierten ökumenischen internationalen Gebetsfeier teilgenommen.
Bericht der Journalistin Claudia Di Lorenzi
„Der Welt zu zeigen, dass Geschwisterlichkeit und Einheit trotz kultureller und konfessioneller Unterschiede möglich sind.“ Mit diesem Ziel vor Augen fand in Rom, in der Basilika der XII. Apostel, eine ökumenische Gebetsfeier für Europa>> statt. Es war eine Gelegenheit, bei der Mitglieder des internationalen MfE-Netzwerks mit Vertretern italienischer und europäischer Institutionen zusammenkamen. An 56 weiteren europäischen Orten gab es ähnliche Initiativen.
Unter den Anwesenden der Veranstaltung in Rom war auch David-Maria Sassoli, Italienischer Europaparlamentarier der Demokratischen Partei. Wir haben ihn befragt:
Herr Sassoli, am Vorabend des 60. Jahrestages der «Römischen Verträge», die kennzeichnend für die Geburtsstunde der Europäischen Union sind, beobachtet man vielerorts, dass Europa seine christlichen Wurzeln verloren hat. Es ist konzentriert auf die Finanzen, die Bürokratie und die nationalen Interessen und erscheint unfähig zu Solidarität, Gastfreundschaft und zu einem Entwicklungsprojekt, das auf den Menschen ausgerichtet ist. Was sagen Sie dazu?
„Vor allem müssen sich die Christen mehr zu Wort melden und es braucht in der christlichen Welt ein Netzwerk, das Zeugnis für andere gibt. Denn es gibt Werte wie den Frieden, die Koexistenz, die Solidarität, die Gerechtigkeit, die durchaus christliche Prägung haben, aber die sich heute auch nicht-christliche Bürger als Paradigma für ihren politischen, kulturellen und moralischen Einsatz zu eigen gemacht haben. Es sind diese Elemente, die die europäische Identität ausmachen: Darüber müssten die Christen froh und dankbar sein, denn in der europäischen Identität finden sich jene Werte wieder, die auch dem christlichen Weltbild eigen sind. Doch in diesem Moment sind wir gefordert, dies unseren Mitbürgern gut zu erklären, denn Europa macht heute Angst, bereitet Sorge, wird als Last empfunden; stattdessen müssten wir in der Einheit der Europäer jenen Wert erkennen, der es uns ermöglicht, der großen Herausforderung unseres Jahrhunderts gewachsen zu sein: die Gestaltung des globalen Marktes. Globalisierung ohne Regeln führt zu Ausgrenzung, Armut, Elend und kann sich für große Teile des Planeten katastrophal auswirken. Die große Herausforderung an Europa ist es, der Welt diese Regeln und Werte zu geben. Denn die Regeln dieses Marktes ohne Schutz der Menschenrechte, ohne Freiheit und Demokratie, wären reine Wirtschaftsgesetze, die vor allem den Starken dienen – und das wollen wir nicht. Also sind wir aufgerufen, die christlichen Werte, die schon am Ursprung der europäischen Identität standen, heute auch in die weltweiten Herausforderungen einzubringen.“
Miteinander für Europa 1999-2019 – Interview mit Pál Tóth
Die Initiative Miteinander für Europa wird 20 Jahre. Zu diesem Anlass stellen wir Pál Tóth, Dozent am Universitätsinstitut Sophia, Loppiano (Florenz), zwei Fragen zum Selbstverständnis des Netzwerkes und wie Miteinander für Europa auf die heutigen Herausforderungen antworten kann.
1999 ist Miteinander für Europa Wie unterscheidet sich diese freie Vernetzung von christlichen Gemeinschaften und Bewegungen von anderen Gruppen, die sich heute für Europa einsetzen? Was ist ihr Spezifisches?
Die Anerkennung des Andersseins und somit des Pluralismus ist eine Errungenschaft der westlichen Kultur. Im biblischen Glauben ist die Überzeugung verwurzelt, dass jede und jeder von uns ein einmaliges Geschöpf ist, für das Gott einen Plan der Liebe hat. Mit dieser Entwicklung stellt sich jedoch auch eine neue Herausforderung für die im Christlichen verwurzelten Gesellschaften: Wie gehen wir mit dieser reichen Vielfalt um? Wie können wir zu der für das Handeln notwendigen Einheit gelangen? Diese Frage ist im Zeitalter der globalen Herausforderungen sehr aktuell geworden. Heutzutage sind die Probleme nicht mehr nur lokal, sondern wir haben es mit übergreifenden Herausforderungen wie Klimawandel, Migration, Armut, ungezügeltem Kapitalismus usw. zu tun. Um auf diese Herausforderungen angemessen reagieren zu können, bedarf es einer viel effektiveren Zusammenarbeit auf globaler Ebene. Meiner Meinung nach könnte und sollte Europa, aufgrund seiner Rolle bei der Entwicklung innovativer Gedanken im Laufe der Jahrhunderte, eine entscheidende Rolle in diesem Prozess spielen.
Ich bin überzeugt, dass die Kirchen über eine besondere Ressource verfügen, um eine Einheit zu verwirklichen, die nicht unterdrückt, sondern Vielfalt schätzt. Diese Fähigkeit wird in der Initiative Miteinander für Europa sichtbar. Der Pluralismus ist auch in den Kirchen präsent, aber er ist ein Pluralismus der verschiedenen Charismen und Gaben und dieser Pluralismus ist zur Einheit fähig. Warum? Weil wir an der Basis jedes wahren Charismas ein Wort Gottes finden.
Die Charismen sind unterschiedlich, aber ihre gemeinsame Wurzel ist das Wort Gottes, letztlich das neue Gebot: Liebt einander. Dies ist ihr gemeinsames Fundament, das eine Grundlage für Einheit und Zusammenarbeit schafft. Tatsächlich gründet Miteinander für Europa seine Aktivitäten auf einem „Bund der gegenseitigen Liebe“ zwischen Vertretern verschiedener christlicher Bewegungen und Gemeinschaften unseres Kontinents.
Dann dürfen wir die Frauen und Männer der „ersten Stunde“ von Miteinander nicht vergessen. Seit 20 Jahren widmen sie sich mit Leib und Seele dieser Initiative. Gewiss sind sie schon aus rein menschlicher Sicht fähige Persönlichkeiten, die treu zu ihrem Engagement stehen. Aber ich würde noch mehr sagen: In dem jetzt fernen Jahr 1999 wurde ihre Seele von einem starken Licht, vom Göttlichen, berührt. Sie verstanden mit dem Herzen, dass sich in der gelebten Einheit eine andere Welt verwirklicht, ein neues Europa. Und dieser Moment der „Gründung“ hat in ihnen eine Überzeugung in die Einheit in Vielfalt hinterlassen, die sie heute an andere weitergeben möchten. Sie wissen, dass ihre Träume und Sehnsüchte der Vergangenheit inzwischen zu einer Überlebensbedingung geworden sind. „Alles beruht auf den Charismen. Wir müssen sie entdecken“. So Chiara Lubich, Mitbegründerin von Miteinander für Europa.
Was sollte Miteinander für Europa tun, um immer mehr Sichtbarkeit zu gewinnen?
Die mehr als 300 Bewegungen und Charismen von Miteinander für Europa sind bereits ein sichtbares Zeugnis von Zusammenarbeit und Einheit. Über die Erklärung gemeinsamer Werte und Momente des gemeinsamen Gebets bei besonderen Anlässen hinaus, kommt zum Vorschein, was die Bewegungen bereits gemeinsam tun, um auf die oben genannten Herausforderungen zu reagieren. Sichtbarkeit erlangen sie durch die gemeinsamen Aktionen, die Zustimmung und Gemeinsamkeiten schaffen. In dieser Hinsicht könnte Miteinander für Europa schrittweise noch mehr gemeinsame Aktionsprojekte entwickeln.
Eines der Projekte könnte eine permanente Plattform für den Dialog zwischen Ost- und Westländern sein. Mit dem Treffen 2017 in Wien machte Miteinander einen ersten Schritt. Vertreter der Slowakei, der Tschechischen Republik, Ungarns, Sloweniens und Russlands nahmen den Dialog mit den westlichen Ländern auf. Man konnte das Engagement (und die Bemühungen) sehen, über die Unterschiede und Kritikpunkte hinauszugehen, die oft die Verständigung zwischen Ost und West behindern. Auf dieser Schiene würde ich für die Zukunft eine Zusammenarbeit in verschiedenen Themenbereichen sehen, wie zum Beispiel das Konzept von Nation, die Beziehung zwischen Kirche und Staat, die Menschenrechte, das Bedürfnis nach Einheit und Wahrheit usw.
Mit verschiedenen Projekten auf kirchlicher, politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene bildet Miteinander für Europa ein wachsendes Netzwerk von Bürgern, die sich für einen „christlichen Neuaufbruch in Europa“ einsetzen. Dabei soll negative Kritik überwunden und kritische Fragen im Blick auf Wachstumsmöglichkeiten für alle, gemeinsam besprochen werden.
Ein internationales Team von Fachleuten ist dabei, einen Videoclip vorzubereiten. Anlass dazu sind die 20 Jahre Miteinander für Europa, die im November in Ottmaring (bei Augsburg) gefeiert werden.
«Die letzten Veranstaltungen von Miteinander für Europa führten uns nach Klagenfurt, nach Ottmaring und nach München. Dort haben wir begonnen die heutige Identität und die Bedeutung der Erfahrung von 20 Jahren Weggemeinschaft dieses Netzwerkes zu entdecken. Durch Interviews und Videoaufnahmen werden wir im November – pünktlich zum Jubiläum – erzählen, wie sich diese Initiative präsentiert und wie sie tätig ist. In der Zusammenarbeit mit verschiedenen Menschen haben wir gesehen, wie es möglich ist, Einheit in Vielfalt zu leben. Wir haben festgestellt, wie die verschiedenen Charismen Antworten auf die Probleme sein können und warum Europa in der Lage sein muss, einen konstruktiven Dialog zu führen zwischen verschiedenen Kirchen, Gemeinschaften, Bewegungen, Völker…» So fasst Dalma Timár, Ungarin, Expertin für Videomontage, ihren Eindruck zusammen. Gemeinsam mit Vera Bohus, Kamerafrau, ebenfalls Ungarin, und Cinzia Panero, Italienerin und Regisseurin, hat sie sich auf das Dokumentieren dieser originellen europäischen Erfahrung eingelassen.
Die Drei gewähren uns eine kurze Vorschau der vielen Bilder und Aussagen aus den Interviews.
Freundschaft ist ein sehr wichtiges Thema im Miteinander für Europa. Die Art von Freundschaft, die uns effektiv verbindet ist die, Freunde von Christus in unserer Mitte zu werden. (Sr. Nicole Grochowina – Selbitz)
Miteinander für Europa hat mein Leben verändert. Vom ersten Moment an habe ich gespürt, wie der Geist Gottes uns nimmt und voranbringt. (Gerhard Pross – Esslingen)
Für uns ist die Kultur der Gegenseitigkeit sehr wichtig. Sie ist etwas, was wir alle innerlich spüren, niemand zwingt sie uns auf. (Pavel Snoj – Ljubljana)
Im Miteinander für Europa finde ich die „Werkstatt“, in der wir als Männer und Frauen, Mitglieder verschiedener Bewegungen und Gemeinschaften, Geistliche und Laien verschiedener Kirchen gemeinsam versuchen, jenen Weg zu finden, der die Antwort auf die Frage ist, was es bedeutet, heute in Europa als Christen zu leben. (Ilona Tóth – Ungarn)
Meines Erachtens müssten wir wirklich von unten beginnen, bei der Gemeinschaft, im Familienleben, zwischen den Gemeinschaften. (Matthew Fanni Canelles – Trieste)
20 Jahre Miteinander für Europa vom 7. – 9.11.2019 in Ottmaring und Augsburg. Der Besuch von Regionalbischof Axel Piper
Ende Februar trafen sich 16 Vertreter des internationalen und des deutschen Leitungsteams von „Miteinander für Europa“ in Ottmaring, um das Trägerkreistreffen vom 7. – 9. November 2019 vorzubereiten. Vor 20 Jahren ist das internationale Netzwerk entstanden, Grund genug, an die Anfänge zu erinnern und Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln.
Axel Piper, seit 1.1.2019 evangelisch- lutherischer Regionalbischof im Kirchenkreis Augsburg und Schwaben, traf sich bei seinem ersten Besuch im Ökumenischen Lebenszentrum Ottmaring auch mit Gerhard Proß, Ilona Toth, Herbert Lauenroth und Diego Goller vom Vorbereitungsteam, um die Initiative Miteinander für Europa näher kennen zulernen.
Seine Erfahrung und Vision von Kirche: Nicht Strukturen, sondern „Menschen, die gemeinsam auf der Suche sind“, die in dieser Weggemeinschaft um Erkenntnis ringen. „Dabei mag es zunächst genügen“, so Piper, „aufeinander – im besten Sinn dieses Wortes – „neugierig“ zu sein“. Er freue sich deshalb auf die neue Aufgabe, „auf neue Menschen, neue Herausforderungen und darauf, ein Stück Aufbruch mitzugestalten.“ Und die Initiative Miteinander für Europa sei ihm gerade deshalb „sehr sympathisch“.
Clarita und Edgardo Fandino, weltweit verantwortlich für die Bewegung Equipes Notre-Dame, leben in Bogotá/Kolumbien. Sie haben kürzlich am Treffen des Trägerkreises von Miteinander für Europa in Prag teilgenommen. Wir wollten ihre Erfahrung näher kennenlernen.
1) Was war eure Erfahrung mit dem Trägerkreis von „Miteinander für Europa“ in Prag?
Es ist bewegend, direkte Zeugen dieser Initiative zu sein: ausgehend von der Synergie unter vielen Bewegungen will sie hoffnungsvolle Antworten in einer säkularisierten Welt geben, indem sie jede Gemeinschaft einlädt sich nicht abzusondern, sondern Verantwortung für die Gesellschaft und die Welt zu übernehmen und jenen Reichtum, den sie aus dem Evangelium schöpft, zu teilen. Persönlich hätten wir gerne die spezifischen Charismen jeder teilnehmenden Bewegung genauer kennengelernt, aber wir vermuten, dass sie dies einerseits bereits in anderen Zusammenkünften geschehen ist und andererseits, dass die begrenzte Zeit des Programms es nicht ermöglichte. Während der zwei Tage dieser Versammlung war es uns möglich, in freien Momenten Erfahrungen im Dialog mit mehreren Teilnehmern auszutauschen. Wir konnten eine Atmosphäre des Respekts, der Geschwisterlichkeit und der Offenheit feststellen, die auf verschiedene Lebensbereiche erweitert werden sollte, um echte Mitwirkende an Veränderungen zu sein – wie ein „Sauerteig“.
2) Wie seht ihr aus eurer kolumbianischen Perspektive das gegenwärtige Europa?
Wir haben nicht an diesem Treffen von Miteinander für Europa als Kolumbianer teilgenommen, sondern als Verantwortliche der Bewegung Équipes Notre-Dame, die ihren Ursprung in Frankreich hat und heute in 92 Ländern der 5 Kontinente vertreten ist. Als Kolumbianer haben wir große Unterschiede zwischen dem heutigem Europa und Amerika festgestellt und natürlich auch mit unserem heimischen Kolumbien. Europa erlebt derzeit einen viel ausgeprägteren Säkularisierungsprozess als Amerika und ist von Krisen und Desintegrationsströmungen mit separatistischen Tendenzen gezeichnet, die bestehende Institutionen und Regelungen unterminieren. Populistische Tendenzen mit ihren Agitatoren, die polarisieren und Unzufriedenheit säen, sind ein Problem, das bereits globale Dimensionen erreicht hat. Es ist heute mehr denn je unverzichtbar, dass wir als Zeugen von Glaubenswerten aktiver werden, dass wir Initiativen zur Veränderung lancieren, die transzendente Werte vermitteln. Ernesto Sabato, der wunderbare Schriftsteller und aufmerksame Kritiker der Situationen dieser Welt, sagte: „Eine feste Überzeugung ist diese: einzig spirituelle Werte werden die Menschheit vor einer angekündigten Katastrophe retten können.“
3) Ihr seid die weltweiten Verantwortlichen der Bewegung „Équipes Notre-Dame“ und habt gerade ein wichtiges internationales Treffen in Paris abgeschlossen. Was sind eure Pläne und Perspektiven für die Zukunft am Ende dieses Treffens?
Wir haben die internationale Verantwortung der Bewegung Équipes Notre-Dame seit letztem Juli in Fatima (Portugal) übernommen, wo wir zusammen mit etwa 9000 Mitarbeitern aus mehr als 70 Ländern, darunter 400 Priester und Bischöfe, 4000 Paare und 200 Witwen/rn eine Begegnungswoche zum Gleichnis vom verlorenen Sohn gelebt haben – das Motto: „Versöhnung, Zeichen der Liebe“. Am Ende dieses Treffens haben wir als Sendungsauftrag die Lebensorientierungen für die Mitglieder der Bewegung in den nächsten 6 Jahren festgelegt: „Habt keine Angst, lasst uns vorangehen“; es ist eine Einladung zum Handeln, indem wir, ausgehend vom Spezifischen unseres Charismas, unsere Berufung und unsere Mission konkretisieren: die eheliche Spiritualität.
Das Treffen, das wir kürzlich in Paris mit dem verantwortlichen internationalen Team durchgeführt haben, war das erste der drei jährlichen Treffen; es war bereits geplant und hatte sich zum Ziel gesetzt, die „Roadmap“ zu erstellen, nach der jedes Mitglied der Bewegung das Motto von Fatima in ihrem Leben verwirklichen kann. Aus diesem Grund haben wir viele Strategien und Herausforderungen innerhalb und außerhalb der Bewegung beschrieben, immer im Einklang mit dem Aufruf der Kirche und insbesondere von Papst Franziskus, als Vermittler der Barmherzigkeit an die Peripherien zu gehen. Dieser Aufruf wird vom Papst in seinem jüngsten Apostolischen Schreiben „Gaudete und Exultate“ (GE 26) großartig zum Ausdruck gebracht: „Es ist nicht gesund, die Stille zu lieben und die Begegnung mit anderen zu meiden, Ruhe zu wünschen und Aktivität abzulehnen, das Gebet zu suchen und den Dienst zu verachten. Alles kann als Teil der eigenen Existenz in dieser Welt akzeptiert und integriert werden und sich in den Weg der Heiligung einfügen. Wir sind aufgerufen, die Kontemplation auch inmitten des Handelns zu leben, und wir heiligen uns in der verantwortlichen und großherzigen Ausübung der eigenen Sendung.“
Zu den vielfältigen Strategien, für die wir uns einsetzen, gehören unter anderem die kompetente Begleitung von Witwen und Witwern, die Vorbereitung und die Begleitung junger Menschen auf die Ehe und ihre ersten gemeinsamen Jahre, die Arbeit im Blick auf andere Aspekte des partnerschaftlichen Lebens wie die Begleitung von Erwachsenen, Jugendlichen Gehör zu schenken usw..
4) Könnt ihr uns etwas von euch selbst, eurer Familie, eurem Wohnort, eurer Arbeit erzählen …?
Wir sind ein kolumbianisches Ehepaar, seit 32 Jahren verheiratet, zwei Kinder, ein gerade verheirateter 26-jähriger Sohn und eine 24-jährige Tochter, die noch bei uns lebt. Wir wohnen in Bogota, einer Großstadt mit etwa 8 Millionen Einwohnern. Clarita unterrichtet Musik und Katechismus und Edgardo ist berufstätiger Bauingenieur. Wir gehören seit 22 Jahren der Bewegung Équipes Notre-Dame an, in der wir unsere eheliche Spiritualität geformt haben und in der wir uns in unterschiedlichen Funktionen engagiert haben. Kürzlich haben wir die Leitung für das internationale Team für die nächsten 6 Jahren übernommen. Unser Leben teilt sich auf in die Berufstätigkeit von Edgardo, der Einsatz für Équipes Notre-Dame und die häufigen Reisen, die sich aus dieser Verantwortung ergeben. Wir sind überzeugt, dass jede und jeder von uns eine Mission und Aufgabe in dieser Welt hat: Träger der Hoffnung und Zeichen der Liebe Christi zu sein für die Menschheit, Ihm Raum zu geben in unserer Umgebung und in den Peripherien, denen wir uns immer mehr nähern müssen.
Beitrag von Pavel Fischer, Senator, Tschechische Republik, zum Trägerkreis von Miteinander für Europa, Prag 16.11.2018 – „DIE DREI HERAUSFORDERUNGEN“
Liebe Freunde,
Sie sind nach Prag gekommen, um miteinander an dem Thema zu arbeiten: Wie lebt man Miteinander für Europa und wie setzt man sich dafür ein? In was für ein Land sind Sie gekommen? Und wie ist der Zustand Europas heute, hundert Jahre nach dem Ersten Weltkrieg? Sie sind nach Tschechien gekommen, in ein Land, das sich vor hundert Jahren zur Republik erklärte.
Bei den diesjährigen Feierlichkeiten zum hundertjährigen Jubiläum war ich fasziniert von den Ideen, die der Präsident des Verfassungsgerichtshofs in seiner Ansprache geäußert hat. Er leitet diese Institution, deren Aufgabe es ist, sicherzustellen, dass die grundlegendsten Regeln in diesem Land eingehalten werden. Präsident Pavel Rychetský hat eine Diagnose des Zustands unserer heutigen Gesellschaft versucht. Lassen Sie mich seinen Grundgedanken mit eigenen Worten wiedergeben.
Seiner Meinung nach hat die Globalisierung das Gefühl der Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit unter den Menschen verstärkt. Die Menschen haben das Gefühl, dass sie sich in der globalen Welt verlieren. Die Konturen ihrer Identität verwischen sich, und sie versinken in Sorgen und Angst. Ja, die Angst ist zum Nährboden für diejenigen geworden, die ein Feindbild schaffen. Der Feind kann der reichere Nachbar sein, der Einwanderer oder jemand mit einer anderen Hautfarbe. In diesem Land wird manchmal die Europäische Union selbst als der Übeltäter identifiziert.
In ihrer Verzweiflung suchen jetzt die Menschen nach Veränderung und noch besser nach einer Art Messias, weil die traditionellen politischen Parteien sie nicht mehr wirksam vertreten. Ist es überhaupt noch möglich, eine so vergiftete Entwicklung zu stoppen? Und wie kann man ein verdrehtes Wertesystem wiederherstellen?
Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs sieht Hoffnung in einem größeren Maß an Emanzipation der Zivilgesellschaft, die ihr Selbstvertrauen wiedererweckt und das Prinzips der bürgerlichen Souveränität wiederherstellt: Bürger, die für sich selbst einstehen; denn politische Vertreter sind dafür da, dem Allgemeinwohl der Nation zu dienen, sonst sollten sie nicht an der Macht sein.
Lassen Sie uns noch einmal auf die Schlüsselbegriffe schauen, die er in seiner Rede verwendet hat: Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit, Identität, Angst, Feind, Allgemeinwohl, Selbstvertrauen, souveräner Bürger.
Wenn wir die besten Aspekte europäischen Denkens anschauen, die auf der Weisheit jüdischer Gelehrter, christlicher Mystiker und rationaler Denker beruhen, können wir eine spirituelle Dimension finden, die jeden dieser Begriffe in ein anderes Licht stellen könnte. So gesehen, hat die Diagnose der heutigen Gesellschaft einen großen Informationswert. Aber ich glaube, dass wir alle diese Phänomene auch in einem hoffnungsvollen Licht sehen können. Und dass wir uns bemühen können, selbst etwas zu tun. Wo also sollen wir anfangen? Was sollten wir zuerst tun, und andererseits was sollte so bleiben, wie es ist?
Lassen Sie uns jetzt einen kurzen Blick auf die drei Herausforderungen werfen, vor denen Europa heute steht.
Die erste Herausforderung: Emotionen
Die Menschen sind so angelegt, dass sie Emotionen empfinden. Und nicht nur die eigenen Emotionen, sondern auch die emotionale Verbindung mit anderen. Aber selbst wenn wir uns immer wieder sagen, dass Menschen rationale und vernünftige Wesen sind, könnten wir doch auch eine ganze Reihe von Beispielen finden, die belegen, wie oft wir uns irrational verhalten. Und das ist eigentlich etwas Gutes.
Um manche Situationen in der europäischen Politik zu verstehen, ist es wichtig zuzugeben, dass Emotionen entscheidend sind. Erinnern wir uns nur an den Kampf zur Lösung der Krise in der Eurozone bei der Suche nach einer Lösung für den Staatshaushalt Griechenlands, als die Wirtschaft in einem kritischen Zustand war.
Wenn wir voraussetzen, dass der Mensch nicht nur ein «homo economicus» ist, das heißt, dass er/sie nicht nur ein Verbraucher oder ein Marktteilnehmer ist, sondern auch Bürger, dem Würde und Freiheit gegeben sind, dann war der Kampf, der zur sogenannten Griechenland-Krise führte, sehr kennzeichnend.
Während die Bürger gezwungen waren, den Gurt enger zu schnallen und buchstäblich kein Geld zum Sparen hatten, gelang es manchen Banken ziemlich gut, ihre Einkünfte während der gesamten Krise zu sichern. Während in Brüssel die Lösung der Krise durch die Anwendung von Sparmaßnahmen durchgeführt wurde, sahen die Bürger in Griechenland dies als ein Reiben von Salz in ihre Wunden. Emotionen stiegen hoch, verärgerte Bürger wandten sich gegen die Regierung, gegen die Europäische Kommission und die Bankiers; auch zum Beispiel gegen Deutschland und sogar gegen die Bundeskanzlerin Angela Merkel selbst.
Diese Atmosphäre intensiver Emotionen war aber etwas, das die Griechen vorwiegend unter sich erlebten. Allein sprachlich war sie für andere nicht zugänglich. Kulturell war sie mit der griechischen Geschichte verbunden, mit Bildern der Geschichte. Und das bedeutete, dass anderen Europäern nicht nur die Mittel fehlten, um die Griechen zu verstehen und mit ihnen zu sympathisieren, sondern auch um ihnen in irgendeiner Weise zu helfen. Rückblickend hätten wir griechischen Kindern einen Urlaub bei uns zuhause anbieten können. Das hätte deren Eltern eine Pause verschafft, und wir hätten für die Zukunft wichtige Beziehungen knüpfen können.
In ähnlicher Weise könnten wir uns an die emotionalen Erfahrungen der Bürger anderer EU-Mitgliedsstaaten erinnern. Es ist, als ob unsere eigenen politischen und sozialen Anstrengungen auf das Gebiet unserer Muttersprache beschränkt bleiben. Es mangelt an starken Medien, es fehlen Vermittler, was bedeutet, dass wir irgendwie mit unseren Emotionen allein gelassen worden sind.
Trotzdem bin ich überzeugt, dass auch der beste Journalist, der geschickteste Diplomat oder der versierteste Politiker nicht vollständig in der Lage wären, die Not, die Angst oder die Hoffnung und Erwartungen zu vermitteln, die wir in unseren Sprachgemeinschaften erleben. Denn es tatsächlich so, dass diejenigen, die eine gemeinsame Muttersprache haben, einander sehr schnell verstehen können.
Als ich jünger war, habe ich Geige gespielt und war viele Jahre in ganz Europa mit einem Orchester unterwegs. Immer wieder habe ich diese Erfahrung als Musiker konkret vor Augen. Auch heute noch muss ich zugeben, dass Musikers fähiger sind zu kommunizieren und eine Botschaft unter unseren Nationen zu vermitteln, als die besten politischen Reden. Tatsächlich arbeiten Emotionen und Kunst Hand in Hand, mit Bildern und Ausdrucksformen, für die wir oft keine Worte finden können.
Und das bedeutet, dass wir in unserer heutigen Welt nicht nur neue Institutionen brauchen, sondern auch Künstler, damit sie uns die Themen vermitteln können, die jetzt vielleicht erst am Aufkommen sind, aber doch schon dringend das Denken der Menschen beschäftigen und sie zum Handeln bewegen. Künstler können der Falle des Übersetzers entgehen. Künstler können mit Inhalten arbeiten, die sonst herausgeschnitten würden, von Zensoren, die Texte überprüfen, ob diese politisch korrekt sind.
Wenn wir auf das traurige Erbe der großen Krise zurückschauen, die 2008 bei den US-Banken begann, sehen wir, dass in vielen Fällen auch die Etats der kulturellen Institutionen beschnitten werden mussten.
Aber weil die Welt, in der wir heute leben, emotional so beunruhigt oder entnervt ist, wäre es wohl an der Zeit, genau das Gegenteil zu tun: die Kunst in den öffentlichen Raum zurückbringen. Der Öffentlichkeit helfen, herauszufinden, was sie gerade mit Hilfe der Künstler erlebt. Und Kindern die Werkzeuge geben, die sie brauchen, um Kunst zu verstehen; denn sonst bleibt jeder von uns ein bisschen allein mit seinen Emotionen, so als wären diese in Flaschen unter Verschluss. Oder es wird jeder ein bisschen allein bleiben, wenn wir über die Atmosphäre in unserem Land als Ganzes reden.
Die zweite Herausforderung: Bürger oder Verbraucher.
Früher oder später müssen wir uns die Frage stellen: Was verstehen wir unter dem Begriff «Mensch»? Meinen wir damit einen Akteur in der Wirtschaft, einen Marktteilnehmer, einen Verbraucher oder einen Bürger?
Schon bei den ersten Anfängen der europäischen Integration lag die Betonung auf der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, und das war sicherlich am effektivsten und vernünftigsten. Damals half es, gemeinschaftliche Prozesse in Gang zu setzen, ohne dass man über Streitpunkte reden musste, oder diese gar durch ein Referendum entscheiden zu müssen. Der Begründer der europäischen Integration entwickelte seine Methoden aus der realen Lebenserfahrung. Der Franzose Jean Monnet, der während des Krieges in London arbeitete, sah dort mit eigenen Augen die Unfähigkeit der Alliierten, die Versorgung unter den Truppen zu koordinieren.
Heute kann diese Betonung der Wirtschaft nicht nur in der EU beobachtet werden, sondern auch in unseren einzelnen Ländern. Und wieder müssen wir uns fragen, was wir unter dem Menschen verstehen. Wenn wir ihn als Verbraucher sehen, dann müsste es unser Ziel sein, die höchste Lebensqualität zu einem erschwinglichen Preis bereitzustellen. Aber wir können den Menschen auch anders sehen: ich meine, als mit Würde begnadetes Individuum, als freies Wesen, als Person mit individueller Verantwortung, die das Bedürfnis hat, Beziehungen zu anderen einzugehen.
Aber eine freie unabhängige Person, die isoliert lebt, kann nicht unser Ideal sein. Denn die Einsamkeit ist eines der Phänomene heutigen Lebens, das unsere Gesellschaft sehr schwächt. Einsamkeit bedeutet Beziehungsarmut. Und davon gibt eine Fülle um uns herum. Wenn ein Mensch aber allein bleibt, kann er das Opfer verschiedenster Raubtiere werden, solche die Informationen und Desinformationen verbreiten oder auch wirtschaftliche Raubtiere, die den Menschen Dinge verkaufen, die sie gar nicht brauchen.
Ein Individuum kann nicht glücklich sein ohne Solidarität und ohne Gemeinschaft und echte Freunde. Auf der Ebene der gesamten Gesellschaft sehen wir dies in solchen Gemeinschaften, die fähig sind zusammenzuleben, die sich im Dialog engagieren und die zusammenkommen, um Problemlösungen zu finden. Auf lokaler Ebene gestalten sie Beziehungen, zu denen Nachbarschaftshilfe, Solidarität und Gegenseitigkeit gehören. Eine solche Gesellschaft ist mit Sicherheit widerstandsfähig. Angesichts einer Bedrohung können Menschen sich selbst und anderen helfen, sie finden ihren Platz in der Gesellschaft und leisten den Bedürftigsten Hilfe.
Aber täuschen wir uns nicht! Wir sind schon oft an solchen Scheidewege gestanden, und dies nicht nur bei Wahlen. Wirtschaft ist ganz sicher von größter Bedeutung für die Verwaltung unserer Länder: Ohne vernünftige und verantwortliche Nationalökonomen wären wir nicht einmal in der Lage, den Staatshaushalt aufzustellen. Aber lasst uns auch danach fragen, wie unsere Entscheidungsträger auch den Einzelnen verstehen. Vielleicht verstehen sie ihn als Verbraucher, das heißt, zur einmaligen Nutzung geeignet, bis zur nächsten Wahl. Aber es könnte auch sein, dass sie den Einzelnen als Partner sehen, als Teamkollegen, als Bürger. Wir wollen unseren Glauben und unser Vertrauen auf diese Art von Politikern setzen.
Die dritte Herausforderung: Gemeinschaft oder Masse.
Die dritte Herausforderung, die wir in der heutigen Gesellschaft beobachten, ist die Ausbreitung der sozialen Netzwerke […]