(…) Ich möchte mich jetzt vor allem an die Jugendlichen wenden.
Ich weiß sehr gut, dass Eure Würde auch von der Arbeit abhängt und ich weiß auch, dass in unserem Land die Arbeit für die Erwachsenen ungenügend, oft prekär und schlecht bezahlt ist. Wenn es für sie so ist, so ist es noch mehr für euch. Eure Generation ist ausgebildeter als jene, die euch vorausgegangen ist.
Ihr habt sehr große Kenntnisse und eine große Potenzialität.
Euch muss die Möglichkeit gegeben werden, Protagonisten des Gesellschaftsleben zu werden.
Viele von euch studieren oder arbeiten in anderen Ländern Europas. Das ist oft eine große Chance. Doch es muss eine persönliche Entscheidung sein. Wenn man gezwungen ist Italien zu verlassen, weil das Angebot fehlt, so befinden wir uns vor einer Pathologie , für die wir eine Abhilfe schaffen müssen.
Die Jugendlichen , die sich fürs Ausland entscheiden, verdienen immer Respekt und Unterstützung. Doch wenn man die im Ausland gereiften Erfahrungen nicht in unser Land zurückbringt, verarmt die ganze Gesellschaft.
Im vergangenen Februar an der Universität von New York bin ich Studenten aus allen Kontinenten begegnet. Eine Studentin hat ihre Ansprache damit begonnen, dass sie erklärte, dass sie sich nicht nur als Italienerin betrachte, sondern als Europäerin.
Viele Erfahrungen europäischer Jugendlichen, die sich ihre Kultur, ihre Ideen und ihre Werte austauschen zeigen deutlich, dass Europa nicht einfach ein Produkt von Verträgen ist .
Ein Kontinent der nach Jahrhunderten getrennt war durch Kriege und Feindschaften, hat entschieden einen Weg des Friedens und einer gemeinsamen Entwicklung einzuschlagen.
Diese Jugendlichen verstehen, dass in der heutigen Zeit die Entscheidung gemeinsam getroffen werden muss.
Angesichts der Tragödie, die die Kinder in Aleppo erleben, den tausenden von Menschen, die im Mittelmeer ertrinken und den vielen Kriegsherden in der ganzen Welt, erfassen sie noch mehr den Wert einer friedlichen europäischen Integration.
Sie akzeptieren nicht, dass Europa sich widerspricht, sich absondert und reaktionsträge wird, wie das oft bei der Einwanderung der Flüchtlinge geschieht.
Von der Europäischen Union erwarten wir konkrete solidarische Gesten, bei dem Problem der Aufteilung der Flüchtlinge und bei der würdevollen Begleitung derer, die kein Recht auf Asyl haben und die deshalb in ihre Heimat zurückkehren müssen.
Sergio Mattarella, italienischer Staatspräsident, in seiner Ansprache an die Nation, 31.12.2016
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